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Disruptive Internet-Unternehmen wie AirBnB, Uber und natürlich Amazon mischen ihre Märkte auf. Naheliegend, dass Künstliche Intelligenz, Spracherkennung und Deep Data aktuell heiß diskutiert werden, wenn es um die Digitalisierung im Vertrieb geht. Aber was bedeutet das konkret für den typischen deutschen Mittelstand, der dazu noch an Geschäftskunden verkauft und vielleicht nicht direkt an den Endkunden? Hier drei Thesen, die zum Nachdenken anregen sollen.

These 1: Digitalisierung schafft Chancengleichheit

Betrachtet man die einschlägigen Startup-Unternehmen, welche digitale Vertriebs- und Marketinglösungen anbieten, so dominieren Cloudlösungen. Gerade für KMUs bietet dies eine riesige Chance. Denn ohne hohe Investitionskosten ist es möglich, innovative Applikationen schnell und unkompliziert mittels Abonnements zu nutzen. Digitalisierung bedeutet hier also Demokratisierung oder Chancengleichheit, denn auch kleinere Organisationen können prinzipiell auf dem gleichen Niveau spielen wie börsennotierte Konzerne. Wählen sie dann noch ein CRM System als Integrationsplattform, so können die Einzellösungen sinnvoll zu einem Ganzen verknüpft werden. Dadurch entsteht eine durchgängige Datenbasis, welche die „Customer Journey“ vom ersten Besuch der Webseite, über Social Media bis hin zu Kauf, Auftragsabwicklung und später dann auch Kundendienst abbildet. Diese einheitliche Datenbasis stellt auch die eigentliche Wertschöpfung dar, denn nie zuvor war es möglich, soviel über die eigenen Interessenten und Kunden zu erfahren. Besonders interessant sind dabei jene Lösungen, welche den Medienbruch zwischen digitaler und analoger Welt aufheben. Ein Beispiel: GONG.IO analysiert Webinare und Kundentelefonate, versteht das Gesprochene, und speichert Transkriptionen im CRM. Diese Informationen können mit den Verkaufszahlen der einzelnen Verkäufer in Beziehung gesetzt werden. Dadurch werden entscheidende Erfolgsfaktoren sichtbar und können entsprechend für Schulung und Coaching genutzt werden. Wer mehr darüber wissen möchte, welche evidenzbasierten Erkenntnisse alt bewährte Glaubenssätze im Vertrieb widerlegen, dem sei dazu deren Unternehmens-Blog empfohlen. Für europäische Unternehmen dürften einige der neuen Möglichkeiten allerdings aufgrund von Mitbestimmungsregeln und Datenschutzverordnungen aktuell nur eingeschränkt nutzbar sein. Es bleibt abzuwarten, ob sich eine vergleichbare Vielfalt EU-konformer Startups auch bei uns entwickelt.

These 2: Künstliche Intelligenz ist (noch) nicht intelligent genug

Bei der Euphorie um KI, selbst lernende Systeme und Spracherkennung wird manchmal übersehen, dass nach wie vor noch technische Limitationen bestehen. Deshalb sollten Anwender genau prüfen und ausprobieren, was die Lösung bereits kann, und wo noch menschliche Expertise gefordert ist. Ideal dazu sind die kostenfreien Probeabos, die fast alle Anbieter offerieren. Meines Erachtens reicht es dabei aus, wenn 80% des Bedarfs durch die Anwendung abgedeckt werden. Das Streben nach Perfektion ist hier eher hinderlich und führt nur zu Verzögerungen oder aufgeblähten Anwendungen, welche von den Anwendern im Vertrieb nicht akzeptiert werden. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte mit CRM Implementierungen sollten hier ein warnendes Beispiel sein. Jedem sollte aber klar sein, dass es immer noch sehr viel Fachwissen braucht, um nützliche Erkenntnisse aus dem Datenberg zu extrahieren. Das fängt bei der Definition einer typischen Kundenreise im Marketing-Automation-System an, und hört bei der Anlyse von Kundenbewertungen auf den entsprechenden Portalen und den Schlussfolgerungen für die Produktentwicklung nicht auf. Deshalb müssen Sie einerseits Personalaufwand für das Erlernen und Betreiben aller Systeme einplanen. Andererseits benötigen Sie auch eine Funktion im Unternehmen, welche sich dezidiert mit den Auswirklungen auf die Kundenprozesse befasst. In diesem Zusammenhang erscheint die Disziplin „Sales Enablement“ besonders vielversprechend, weil sie bei entsprechender Einbindung und Besetzung die Brücke zwischen den gewonnenen Erkenntnissen und deren Umsetzung in praktikable Maßnahmen bauen kann. Aus meiner Sicht sollten Digitalisierung und die Etablierung von Sales Enablement deshalb Hand in Hand gehen.

These 3: Digitalisierung ist kein Selbstläufer

Leider muss ich jene enttäuschen, die hofften, all die kleinen digitalen Helferlein könnten ihre Vertriebs- und Serviceprobleme lösen. Im Gegenteil: Es wird erfahrungsgemäß zunächst einmal noch komplizierter. Denn trotz Agilität und Cloud braucht es robuste Prozesse und klare Verantwortlichkeiten, damit Digitalisierung ihren Nutzen entfalten und die Kundenorientierung verbessern kann. Dazu gehört vor allem auch, dass ein digitales Gesamtkonzept entwickelt und von der Geschäftsleitung getragen wird. Mal eben einen Webshop für die Geschätskunden einrichten, der wenig kosten darf und nicht an die anderen IT-Systeme angebunden ist, hat nichts mit Digitalisierung des Vertriebs zu tun. Vielmehr sollten Sie vom Kunden aus denken und überlegen, welche Maßnahmen einen Nutzen für ihn bringen und eine Differenzierung für Ihr Unternehmen darstellen. Die Dimension der Kundenbeziehung nach außen ist dabei genauso wichtig wie der Reifegrad der Leistungsprozesse nach innen. Mit dem Vertriebs-Performance-Index weist CSO-Insights den Einfluß dieser beiden Größen auf den Vertriebserfolg schon seit mehreren Jahren nach. Im Sinne der Digitalisierung kann eine Standortbestimmung auf dieser Matrix auch Auskunft darüber geben, ob das Unternehmen eher zu den Gewinnern oder Verlieren des Wettlaufs zählen wird:

Verlieren werden wohl jene Unternehmen,

  • die lediglich auf dem Beziehungsniveau eines austauschbaren Lieferanten oder gelisteten Anbieters agieren, und
  • deren Prozesse nicht definiert und standardisiert sind.

Denn in diesem Bereich droht entweder Verdrängung durch Lösungsanbieter oder Partner mit besserer Kundenbeziehung, oder Rationalisierung durch Einkaufsplattformen, Auktionen etc., die das persönliche Verkaufen obsolet machen.

Am anderen Ende der Skala werden Unternehmen mit flexiblen, aber klar definierten Vertriebsprozessen auf allen Ebenen der Kundenbeziehungen von der Digitalisierung des Vertriebs profitieren und gewinnen. Denn sie werden ihre digitalen Vorteile sowohl im Massengeschäft als auch in komplexen kundenindividuellen Lösungen ausspielen können.

Was meinen Sie zu diesen drei Thesen? Ich freue mich auf Ihre Fragen und Kommentare!

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